Geschäfts­bericht 2022

Energiepreisentwicklung

Im Berichtsjahr haben sich die Energiepreise – und hierbei insbesondere die Gaspreise – nahezu ungebremst nach oben bewegt. Das Abflauen der Corona-Welle im Herbst 2021 begünstigte einen wirtschaftlichen Aufschwung und förderte so einen preistreibenden Anstieg der Nachfrage nach Energie, der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen auf der Angebotsseite haben eine preistreibende Verknappung ausgelöst.

Auf dem Höhepunkt der bisherigen Preis-Aufwärtsspirale Ende August 2022 betrug der Großhandelspreis für eine MWh Gas an der niederländischen TTF-Börse 346 Euro. Zum Ende des Berichtsjahres lag er bei 76 Euro. Unsicherheit ist die eine Ursache für die massiven Preisübertreibungen im Verlauf des vergangenen Jahres. Die andere ist, dass gerade der deutsche Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe auf den Märkten sehr aktiv war, um möglichst rasch die im Frühjahr 2022 noch außergewöhnlich leeren Gas-Speicher zu füllen und die im Mai 2022 neu erlassenen gesetzlichen Vorgaben zur Befüllung von Gas-Speichern zu erfüllen. Die deutschen Speicher machen rund 24 Prozent der EU-weiten Kapazität aus; ihre forcierte Befüllung hatte somit auch eine Rückwirkung auf das Preisgeschehen in der EU insgesamt.

Die gesetzliche Vorgabe für Deutschland von 95 Prozent Speicherfüllstand wurde dann auch vor dem vorgeschriebenen 1. November erreicht. Mitte November waren Deutschlands Gasspeicher zu 100 Prozent gefüllt. Das im Oktober und November zu beobachtende Sinken des Preisniveaus kann zum Teil mit der Sättigung in Deutschland erklärt werden; zudem wirkte das außergewöhnlich milde Wetter im Oktober und in der ersten Novemberhälfte preissenkend. Aber selbst wenn sich der Gaspreis nun auf einem im Vergleich zum Sommer 2022 eher moderaten Stand einpegelt, werden die Preise auch nach Krieg und Corona auf einem hohen Niveau verbleiben.

Für private Haushalte, aber auch für kleine und mittlere Unternehmen sowie die Industrie ist diese Situation wirtschaftlich sehr belastend. So zahlte ein Musterhaushalt (Verbrauch: 20.000 kWh) im Oktober 2022 im Schnitt 3.726 € im Jahr für Gas. Das entspricht einem durchschnittlichen Preis von 18,6 Cent/kWh. Damit hat dieser Haushalt im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 173 Prozent zu verkraften.

Maßnahmen zur Dämpfung der Energiekosten

Die Bundesregierung hat als Reaktion auf die stark gestiegenen Energiepreise weitreichende Maßnahmen zur Entlastung der Bürger und der Industrie beschlossen. Die Mehrwertsteuer auf Gas ist für den Zeitraum zwischen dem 1. Oktober 2022 und dem 31. März 2024 von 19 Prozent auf 7 Prozent abgesenkt worden. Um Bürger und Unternehmen zusätzlich bei den Energiekosten zu entlasten, wurde die eigentlich für Anfang 2023 anstehende Erhöhung des CO2-Preises für Heizöl, Erdgas und Sprit um weitere fünf Euro um ein Jahr verschoben. Im Jahr 2022 war der Preis auf 30 Euro pro Tonne gestiegen. Für untere Einkommensbezieher und auch solche, die auf Sozialtransfers angewiesen sind, erhöhte die Regierung unter anderem den Grundfreibetrag, passte das Wohngeld nach oben an und beschloss Heizkostenzuschüsse.

Die weitreichendsten Impulse gingen jedoch von den Entlastungspaketen der Bundesregierung aus. Als Sofortmaßnahme hat die Bundesregierung eine Einmalzahlung für einen Gas-Monatsabschlag am 10. November beschlossen. Von der Soforthilfe profitieren Haushalte, die Gas oder Fernwärme nutzen. Ihnen sowie Unternehmen, die über Standardlastprofile (SLP) abgerechnet werden und weniger als 1,5 Mio. kWh Gas pro Jahr verbrauchen, wird die Abschlagszahlung im Dezember erlassen. Unabhängig von ihrem Jahresverbrauch sind auch Pflege-, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sowie staatliche oder staatlich anerkannte Einrichtungen aus Bildung und Forschung berechtigt, den Monatsabschlag in Anspruch zu nehmen. Es folgten Gesetze zur Gas- und Strompreisbremse, die im Dezember im Bundestag beschlossen wurden.

Gas- und Wärmepreisbremse  

Der Bundestag hat Mitte Dezember 2022 die Gas- und Wärmepreisbremse verabschiedet. Ab dem 1. März 2023 bis zum 30. April 2024 soll im Wesentlichen SLP-Kunden, die auch von der Soforthilfe Gebrauch machen konnten, eine Entlastung mittels eines garantierten Gas-Bruttopreises von 12 ct/kWh für 80 Prozent des prognostizierten Jahresverbrauchs gewährt werden; bei Fernwärme sind dies 9,5 ct/kWh. Für die restlichen 20 Prozent des Verbrauchs gilt der Vertragspreis. Die Gaspreisbremse gilt rückwirkend zum 1. Januar 2023. SLP-Kunden werden damit im März 2023 auch die Entlastungsbeträge für Januar und Februar 2023 angerechnet.

Wer die Abschläge direkt an den Gasversorger zahlt, erhält den reduzierten Preis über die Gasabrechnung zurück. Wer als Mieter seine Heizkosten über die Nebenkosten zahlt, dem werden Vermieter oder Abrechnungsdienstleister die Abschlagszahlung um den entsprechenden Betrag reduzieren.

Besserverdienende müssen die Ersparnis aus der Gaspreisbremse versteuern. Als Besteuerungsgrundlage soll die Grenze des Solidaritätszuschlags (Soli) gelten. Wer weniger als 75.000 Euro Einkommensteuer zahlt, muss keinen Soli entrichten.

Für die Industrie gilt die Gas- und Wärmepreisbremse ab dem 1. Januar 2023. Industriekunden mit einem Gasverbrauch von mehr als 1,5 Mio. kWh zahlen netto 7 ct/kWh für Gas und 7,5 ct/kWh für Fernwärme. Bundesweit greift die Gaspreisbremse für etwa 25.000 Unternehmen und etwa 1.900 Krankenhäuser. Die Gaspreisbremse soll rund 54 Mrd. € kosten. Versorger sollen vollständig kompensiert werden. Das Geld hierfür nimmt der Bund aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds.

Strompreisbremse  

Mitte Dezember wurde ebenfalls die Strompreisbremse vom Bundestag verabschiedet. Die Strompreisbremse soll vom 1. März 2023 bis zum 30. April 2024 gelten. Rückwirkend sollen jedoch auch die Monate Januar und Februar berücksichtigt werden und die entsprechenden Entlastungsbeträge im März verrechnet werden.

Der Strompreis für private Verbraucher sowie Unternehmen mit einem Stromverbrauch von bis zu 30.000 kWh wird bei 40 Cent begrenzt, inklusive aller Steuern, Umlagen, Abgaben und Netzentgelte. Diese Regelung gilt für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs. Dieser bemisst sich an der durch den Verteilnetzbetreiber erstellten Jahresverbrauchsprognose. Den Verteilnetzbetreibern kommt in der Umsetzung der Bremse an dieser Stelle eine wichtige Rolle zu. Industriekunden zahlen für 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs 13 Cent zuzüglich Steuern, Abgaben und Umlagen. Auch in Bezug auf die Strompreisbremse sollen Versorger vollständig kompensiert werden. Das Geld hierfür nimmt der Bund aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds; ein Teil soll aber auch aus der Abschöpfung sogenannter Überschuss-Erlöse von Erneuerbare-Energie-Anlagen-Betreibern, Kernenergie- und Braunkohlekraftwerksbetreibern kommen.

In den Gesetzen zur Strom- und Gaspreisbremse finden sich auch Regeln, um missbräuchlichen Strategien im Wettbewerb um Kunden einen Riegel vorzuschieben. Der Grundpreis von SLP-Kunden wird auf den Stand von September 2022 festgeschrieben, wobei Preisanpassungen, die Veränderungen der Netzentgelte oder staatlich induzierten Preiskomponenten berücksichtigen, ausgenommen werden – ebenso wie Preisänderungen, die vor dem 1. Dezember 2022 den Kunden mitgeteilt wurden. Eine Reduzierung des Grundpreises um bis zu 5 Euro pro Monat oder um bis zu 60 Euro im Jahr bleibt aber möglich. Neukundenboni und Wechselprämien sollen für die Dauer der Gaspreisbremse höchstens 50 € betragen dürfen.

Stabilisierung der Netzentgelte

Die Bundesregierung nahm sich infolge der krisenbedingten Verwerfungen am Strommarkt auch der Stabilisierung der Netzentgelte an. Mit Hilfe des dritten Entlastungspakets der Bundesregierung wurden die Netzentgelte auf dem Niveau des Vorjahres stabilisiert. Auf dieser Basis liegen die durchschnittlichen Netzentgelte im Jahr 2023 bei 3,12 Cent pro kWh. Die Maßnahme betrifft zunächst nur die Übertragungsnetzentgelte und soll knapp 13 Mrd. Euro kosten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) möchte dies aus dem Konto zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG-Konto) zahlen, das im Spätjahr des Berichtsjahres einen positiven Saldo von 18 Mrd. Euro aufwies.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat im Nachgang zur Entscheidung des BMWK zurecht darauf hingewiesen, dass auch auf Verteilnetzebene mit steigenden Kosten zu rechnen sei. Diese Steigerungen belasten Haushalte prozentual stärker als die Industrie. Darum, so der BDEW, sei eine Entlastung auch bei den Verteilnetzentgelten notwendig.

Abschöpfung von Zufallsgewinnen: Die EU-Staaten beschlossen nach wochenlangen Verhandlungen Ende September, auf Basis eines Vorschlags der EU-Kommission, eine Erlösobergrenze von 180 € je MWh im Stromgroßhandelsmarkt einzuführen. Die Obergrenze gilt im Wesentlichen für Erzeugungstechnologien, die eine Stromproduktion zu geringen Grenz-Kosten zulassen, darunter erneuerbare Energien, Kernkraftund Braunkohle. Ebenfalls mit einem Solidaritätsbeitrag belastet werden sollten nach EU-Beschluss Anbieter von Öl-, Gas- und Kraft- bzw. Treibstoffen.

Anders als ursprünglich geplant, hat der Bundestag die Abschöpfung der Zufallsgewinne von Stromproduzenten nicht rückwirkend zum 1. September 2022, sondern rückwirkend zum 1. Dezember 2022 beschlossen. Die Laufzeit der Abschöpfung ist zunächst bis 30. Juni 2023 befristet, könnte aber durch eine Rechtsverordnung maximal bis April 2024 verlängert werden. Verteilnetzbetreiber werden in die Organisation der Abschöpfung einbezogen; sie tragen jedoch keine weiterreichenden Durchsetzungspflichten.

Mit dem Jahressteuergesetz verabschiedete der Bundestag auch eine vom Bundesfinanzministerium erarbeitete Formulierungshilfe für die von der EU geforderte Sonderabgabe für alle im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich tätigen Unternehmen. Gewinne dieser Unternehmen aus den Jahren 2022 und 2023, die mehr als 20 Prozent über dem Durchschnittsgewinn von 2018 bis 2021 liegen, werden demnach mit einem Steuersatz von 33 Prozent belegt.