Geschäfts­bericht 2022

Branchensituation

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die Situation an den Energiemärkten in Deutschland und Europa immer weiter verschärft. Der Energiesektor ist seit Beginn des Krieges von extremen Unsicherheiten bei den Gaslieferungen sowie einer außerordentlichen Volatilität der Preise auf einem ohnehin bereits hohem Niveau gekennzeichnet. Insbesondere die sehr massiven Preissteigerungen bei Gas, die einen Teil der gestiegenen Strompreise begründen, stellen eine erhebliche, teilweise existenzbedrohende Belastung für die Bevölkerung und Unternehmen in Deutschland und Europa dar und sind eine enorme gesellschafts- und wirtschaftspolitische Herausforderung. Die gestiegenen und deutlich volatileren Commodity-Preise, steigende Zinsen, die Inflation sowie weitere Belastungen der schon durch die Corona-Pandemie in Mitleidenschaft gezogenen Lieferketten führen zu Unsicherheiten.

Die derzeitige Energiekrise und die daraus resultierenden hohen Strompreise können mittel- und langfristig nur durch Investitionen in neue Erzeugungsanlagen und Diversifizierung bestehender Energiequellen überwunden werden. Daher hat die Bundesregierung neben vielen weiteren Maßnahmen z.B. das Ausbautempo für die erneuerbaren Energien mit einer großen EEG-Novelle massiv beschleunigt und die Grundlagen für den Import von Flüssigerdgas geschaffen. Auch wenn die Großhandelspreise für Strom zuletzt zurückgegangen sind, verbleiben die Strompreise in Deutschland und Europa weiterhin auf einem deutlich höheren Niveau als vor der Krise. Zugleich führen die anhaltend hohen Börsenstrompreise auch zu einem Anstieg anderer Strompreisbestandteile. So prognostizieren die Übertragungsnetzbetreiber für das Jahr 2023 einen erheblichen Anstieg der Redispatchkosten für Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen im deutschen Stromnetz, der im Ergebnis höhere Übertragungsnetzkosten und damit höhere Übertragungsnetzentgelte bedeuten würde. Vor diesem Hintergrund sind weitere Maßnahmen erforderlich. Diese Maßnahmen verfolgen nicht nur das Ziel, einen weiteren Anstieg der Strompreise zu verhindern, sondern sie sollen zu einer spürbaren Entlastung bei den privaten und gewerblichen Stromverbraucherinnen und Stromverbrauchern führen. Die Bundesregierung hat daher mit den sog. „Entlastungspaketen I-III“ umfangreiche Maßnahmen zur finanziellen Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Unternehmen in Deutschland beschlossen. Zudem hat die Bundesregierung mit dem weiterentwickelten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) einen umfassenden wirtschaftlichen Abwehrschirm mit einem Gesamtvolumen von bis zu 200 Milliarden Euro geschaffen. Dieser Abwehrschirm federt die Auswirkungen der verschärften Energielage ab. Ein wichtiges Element dieses Abwehrschirms ist die Strompreisbremse, die durch dieses Gesetz eingeführt wird. Sie soll die steigenden Energiekosten und die schwersten Folgen für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen abfedern. Flankierend ist durch ein gesondertes Gesetz eine einmalige Entlastung für Kunden von leitungsgebundenem Erdgas und Wärme für Dezember 2022 umgesetzt worden, und es wird parallel mit dem Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz eine mit der Strompreisbremse vergleichbare Gaspreisbremse eingeführt.

Durch die Dekarbonisierung der Volkswirtschaften steht die Energiewirtschaft vor einer Schlüsseldekade des Wachstums. Denn mit Themen wie erneuerbare Energien, E-Mobilität und Wasserstoff im Zuge der weltweiten Dekarbonisierung ist die Energiebranche zum wichtigen Problemlöser für die größte Herausforderung der Menschheit im 21. Jahrhundert geworden.

Jedes neue Windrad, jede neue Ladesäule muss ans Netz angeschlossen und effizient in das Gesamtsystem integriert werden. Privat-, Geschäfts- und Industriekunden sowie Kommunen fragen immer stärker Lösungen für ihre Dekarbonisierung nach. Mit ihren nachhaltigen Kundenlösungen leistet die Energiewirtschaft als Dekarbonisierungspartner wichtige Beiträge zum Klimaschutz.

Auch im Bereich Mobilität eröffnen sich Wachstumschancen für die Branche. Das Ende der Neuproduktion von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren in der EU ist ab 2035 beschlossen. Deshalb setzt die Energiewirtschaft noch entschlossener auf den Ausbau von leistungsfähiger Ladeinfrastruktur.

Ein zusätzliches Wachstumspotenzial ergibt sich aus dem Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, denn gerade die kleinen und mittleren Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, ihren CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Mit den bestehenden Gasverteilnetzen und der Expertise in der kundennahen Energieinfrastruktur bestehen die besten Voraussetzungen für industriellen Zugang zu Wasserstoff.

In diesem Kontext werden die Energiesysteme zunehmend von digitalen und vernetzten Anwendungen und Lösungen geprägt. Netze, Produkte und Kundenschnittstellen, aber auch interne Prozesse in den Energieunternehmen werden digitalisiert. Damit können die Energienetze sicher geführt und der Netzausbau optimiert werden. Die Digitalisierung ermöglicht es, in einem herausfordernden Regulierungsumfeld den daraus resultierenden Effizienzvorgaben gerecht zu werden. Gleichzeitig befindet sich das Netzgeschäft in einem herausfordernden regulatorischen Umfeld sowie in einem weiterhin intensiven Wettbewerb um Konzessionen für das Betreiben der regionalen Strom- und Gasverteilnetze.