Geschäfts­bericht 2022

Zeitenwende – Energiewende – Wärmewende


Sehr geehrte Damen und Herren,

die rhenag ist gut durch das zurückliegende Jahr gekommen. Diese unspektakuläre Feststellung hat 2022 einen anderen Klang. Nicht umsonst lautet das Wort des Jahres 2022 „Zeitenwende“. Nach 77 Jahren des Friedens und Jahrzehnten stabiler Gaslieferungen aus Russland war ab dem 24. Februar plötzlich alles anders. Im Osten Europas herrscht Krieg, der in seiner Ausprägung als „Energiekrieg“ auch unser Land und unsere Branche ganz unmittelbar erreicht hat. 

Von jetzt auf gleich wurde aus der Selbstverständlichkeit, im Winter jederzeit über Erdgas für die Erzeugung von Grundlaststrom, für die industrielle Produktion und für die Wärmeerzeugung in den Wohnungen zu verfügen, eine der größten Herausforderungen in der jüngeren Geschichte der deutschen Gasversorgung. Zur Versorgungssicherheit kam das Krisenphänomen „Preise“. Die Strom- und Gasnotierungen erreichten – statt sich wie erwartet nach der Post-Corona-Hausse zu normalisieren – neue historische Höchststände. 

Ab dem 24. Februar waren alle Planungen und alle unternehmerischen Agenden Makulatur. Auch die der rhenag. Während unsere Netztöchter im Hintergrund Vorkehrungen für eine nicht mehr auszuschließende Gasmangellage trafen, musste rhenag tausende Kunden von Drittlieferanten auffangen und gleichzeitig die Versorgung der eigenen Kunden sicherstellen – und politische Entlastungspakete exekutieren. Die Umsetzung seiner Sozialpolitik hat der Gesetzgeber uns als Aufgabe

auf den Tisch gelegt. Seit letztem Herbst sorgen Unternehmen wie rhenag dafür, dass die Entlastungen tatsächlich auch bei jeder einzelnen Bürgerin und bei jedem einzelnen Bürger ankommen. Ein veritabler Kraftakt, der zu einem immensen – und nebenbei bemerkt unentgeltlich geleisteten – Zusatzaufwand in den Unternehmen führt.

Blickt man auf diese Situation, ist es damit bereits ein Erfolg an sich, gut durch das Jahr 2022 gekommen zu sein.  

Insbesondere das erneut sehr gute Ergebnis mit einem Jahresüberschuss von 32,6 Millionen Euro ist vor dem Hintergrund der beschriebenen Zeitenwende alles andere als selbstverständlich.

Richtig: 2022 haben wir im Commodity-Geschäft noch stark von lang zuvor beschafften günstigen Gas- und Strommengen profitiert. Die Rahmenbedingungen insgesamt waren aber herausfordernd wie selten. Nie zuvor mussten in so schneller Abfolge so tiefgreifende Eingriffe in komplexe Prozesse vorgenommen werden. Unsere rund 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben diese Herausforderung durch ihre professionelle Arbeit, ihre Motivation und durch ihr großes Know-how im operativen Versorgungsgeschäft sowie in dem uns differenzierenden Dienstleistungs- und Beteiligungsgeschäft gemeistert. Für diese hervorragende Arbeit unter großem Druck möchten wir jeder einzelnen Mitarbeiterin und jedem einzelnen Mitarbeiter von Herzen danken!  
 

Die Branche und auch die rhenag haben 2022 eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Wenn es darauf ankommt, ist auf uns Verlass. Oder pointierter: Wir können Krise!
Aber dies ist – leider – nicht genug. Wir dürfen über das aktuelle Krisenmanagement nicht die große, strukturelle Herausforderung aus den Augen verlieren. Die heißt Energiewende. Auch hier sind wir – ähnlich wie bei den Entlastungspaketen – mit ambitionierten Zielsetzungen seitens der Politik konfrontiert. Und es ist auch hier an uns, aus diesen Zielen konkreten Klimaschutz zu machen. Ob und wie es uns gelingt, entscheidet über die Erreichbarkeit des großen Ziels „Klimaneutralität“. Und es entscheidet über die Zukunft vieler Versorger. Vor allem wenn sie – wie rhenag – tiefe Wurzeln in der Gasversorgung haben und auch heute noch signifikante Ergebnisbeiträge aus einer starken Gassparte erzielen.

 

Energiewende heißt daher für uns vor allem Wärmewende, sie ist die Königsdisziplin. Weil rund 40% aller CO2-Emissionen bei der Wärmeerzeugung entstehen. Weil Wärmeerzeugung ein hochkomplexes Thema ist, bei dem jede Kommune anders aufgestellt ist. Weil die Wärmewende an der Kellertür eines jeden Hausbesitzers rüttelt und sich auf die Nebenkostenabrechnung eines jeden Mieters auswirkt. Und weil sie in puncto technische Machbarkeit, Bezahlbarkeit und Businesscase sehr herausfordernd ist.

Auch wir haben hier noch nicht das perfekte Geschäftsmodell. Aber wir sind auf dem Weg. Und wir sind überzeugt, mit unserem direkten Kundenzugang, dem kurzen Draht zu unseren kommunalen Partnern und den zahlreichen Dienstleistungsbeziehungen zu Stadtwerken im ganzen Land gerade als rhenag die Transformation der Wärmeversorgung Richtung Klimaneutralität wirksam

vorantreiben zu können. Und zwar dort, wo die Wärmewende durch konkrete Projekte Realität werden muss: auf der kommunalen Ebene.

Die Wärmewende sollte dabei nicht mit Verboten bestimmter Heizungstechnik anfangen, sondern mit einer unvoreingenommenen Analyse der kommunalen Wärmeversorgung. Darauf aufbauend müssen Dekarbonisierungspfade entwickelt werden. Um auf diesen Pfaden schnell voranzukommen ist es entscheidend, die Möglichkeiten vor Ort optimal zu nutzen. Technologieoffen. Geheizt werden kann künftig mit Strom, mit Geothermie, mit Wasserstoff, mit Biogas oder Flusswärme.


Bei dieser zielgerichteten Wärmeplanung wollen wir die Kommunen in unserem Versorgungsgebiet – und perspektivisch auch weitere Stadtwerke in ihren Kommunen – begleiten. Die kommunale Wärmeplanung ist eines von vielen Projekten zur Konkretisierung der Wärmwende.

Bei allem Respekt vor den geschilderten Herausforderungen der „Königsdisziplin Wärmewende“ gehen wir diese Aufgabe in unserer Region mit großem Optimismus und Selbstbewusstsein an.
 

Dies umso mehr, als dass sich mit dem Startschuss der Rheinlandkooperation die Möglichkeiten der rhenag für die Modernisierung der Wärmeversorgung noch einmal deutlich verbessert haben. Wir können unsere jeweiligen Stärken und unsere Ressourcen durch die substantielle Stärkung der rhenag-Gruppe mit dreizehn neuen Beteiligungen noch einmal besser bündeln, die Projekte auf viele Schultern verteilen, Risiken minimieren und damit unter dem Strich den Bürgerinnen und Bürgern, den Unternehmen, den Kommunen und den Stadtwerken vor Ort innovative Lösungen anbieten, mit denen wir die Zeitenwende in der Energie- und Wärmeversorgung Schritt für Schritt Wirklichkeit werden lassen.


Mit herzlichen Grüßen
 

Dr. Catharina Friedrich

Dr. Catharina Friedrich

 

Dr. Hans-Jürgen Weck

Dr. Hans-Jürgen Weck